
EU-Gesundheitskommissar in Tuttlingen
Am MDR-Symposium der MedicalMountains GmbH Anfang Mai in Tuttlingen nahm auch EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi teil. Er zeigte Verständnis für die Probleme der Medtech-Branche und präsentierte – auch kurzfristige – Lösungen, um Medizinprodukte-Hersteller zu entlasten, Verfahren zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen.
Die Umsetzung der europäischen Medizinprodukte-Verordnung MDR sei „das teuerste Projekt in der Geschichte der Unternehmen“, so MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler zu Beginn der Veranstaltung. Es gehe nun nicht darum die MDR wieder abzuschaffen, allerdings sieht sie die Branche an einem Wendepunkt: „Entweder wir verlieren noch mehr Produkte, noch mehr Innovatoren, noch mehr Versorgungssicherheit – oder wir machen das System lebensfähig und besser.“ Viele Unternehmen, die täglich mit der MDR zu tun hätten, entwickelten pragmatische Lösungen für den Umgang mit der Verordnung. „Vertrauen Sie ihnen“, appellierte Julia Steckeler an den Kommissar, „vertrauen Sie ihrer Expertise.“ Der Tag stehe im Zeichen der Kooperation, nicht der Konfrontation.
„Ihre Anliegen sind unsere Anliegen“, griff Olivér Várhelyi den Faden auf. Die Probleme seien bekannt, „jetzt möchten wir Lösungen sehen“. Zu kurzfristigen Maßnahmen hatte der EU-Kommissar bereits konkrete Vorstellungen. Beispielsweise kommt bis zum Sommer der neue Rechtsrahmen für elektronische Gebrauchsanweisungen (eIFU). Er wird nach Várhelyis Worten für alle Medizinprodukte gelten. Ebenso rasch soll ein Expert-Panel für Orphan Devices – Medizinprodukte für kleine Patientengruppen – ins Leben gerufen werden. Rund 500 Vorschläge liegen auf dem Tisch, was als „bewährte Technologie“ eingestuft und damit Erleichterung bei klinischen Bewertungen schaffen könnte. Die erweiterte Liste wird zum vierten Quartal dieses Jahres erwartet. In diesem Zeithorizont ist auch eine Guidance für „Breakthrough-Innovationen“ vorgesehen, um revolutionären Neuerungen in der Medizintechnik einen schnelleren Marktzugang zu ermöglichen.
Várhelyi kritisierte das System der Benannten Stellen deutlich: lange Verfahren, hohe Gebühren, mangelnde Planungssicherheit, uneinheitliches Vorgehen – dies sei so nicht gedacht gewesen. Als Lösung kündigte er eine Implementierungsverordnung für Benannte Stellen zu Fristen und Kosten an. Ein weiterer Aspekt wurde aus dem Teilnehmerkreis an ihn herangetragen: Manche Überwachungsorganisationen würden technische Dokumentationen innerhalb der EU strenger prüfen als außerhalb – was Herstellern aus Drittstaaten Vorteile verschaffe.
Zusammen mit weiteren Initiativen gehe es nun darum, Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. „Wir wollen das unternehmerische Umfeld für Sie verbessern“, fasste Olivér Várhelyi zusammen, „sicherstellen, dass Sie in der EU Ihren Geschäften nachgehen, hier innovieren, hier produzieren.“
Für Julia Steckeler gingen von dem Besuch mehrere Signale aus. Zum einen: „Olivér Várhelyi hat gezielt den Austausch mit kleineren und mittleren Unternehmen gesucht, wie wir sie im Cluster haben. Das unterstreicht seine Wertschätzung für ihre Arbeit – er hat sie auf dem Schirm.“ Zum anderen: „Der Kommissar teilt Forderungen, die von der MedicalMountains GmbH seit längerem vorgebracht werden. Jetzt besteht eine echte Chance, rasch Weichenstellungen vorzunehmen und der Branche Entlastung zu geben.“ Die Möglichkeiten seien damit natürlich noch nicht ausgeschöpft. „Die MDR-Evaluierung läuft noch, wir bringen weiterhin die Anliegen und Ideen der Unternehmen ein, um auf längere Sicht gute Bedingungen für die Medizintechnik in der EU zu schaffen.“